Nachbarschaftsrecht - Was darf der Nachbar?
9/6/2021

Nachbarschaftsrecht - Was darf der Nachbar?

Der Zaun der Nachbarn ist zwei Zentimeter über der Grundstücksgrenze gelandet, der Apfelbaum ragt über das Nachbarschaftsgrundstück rüber und verliert ständig seine Früchte auf dem falschen Grundstück oder die neu gebaute Garage der Nachbarn versperrt die Sicht aus dem Küchenfenster – Das bringt manchen Nachbarn oder manche Nachbarin vor Wut zum Kochen. Und die Folge? Ein nie endender Nachbarschaftsstreit über Abstandsgrenzen, Paragrafen und Gesetze. Wer sich also seinen Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen möchte, der sollte vorher einen Blick ins Nachbarschaftsrecht werfen. 

Rechte und Pflichten von Nachbarn im Nachbarschaftsrecht 

Im Nachbarschaftsrecht, oder aber auch Nachbarrecht genannt, werden die gesetzlichen Rechte und Pflichten von Nachbarn und Nachbarinnen beschrieben. Regelungen zum Nachbarschaftsrecht können im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; §903 ff.) gefunden werden. Darüber hinaus sind aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche gesetzliche Regelungen zu finden, da das Nachbarschaftsrecht auf Bundesländerebene beschlossen wird. Über alle dem steht jedoch das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme, damit sollen Hausbewohner und -bewohnerinnen oder aber Grundstückseigentümer beziehungsweise -eigentümerinnen zur Selbstverantwortung animiert werden. Wer selbst nicht übermäßigen Lärm, üblen Geruch oder wildwachsende Hecken ertragen kann, der sollte das auch nicht seinem Nachbarn oder seiner Nachbarin zumuten. Und wenn es dann doch einmal passiert, sollte zunächst miteinander gesprochen und gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Leider ist das oftmals schwierig und eine rechtliche Auseinandersetzung unausweichlich. 

Darf der oder die das? Rechtliche Regelungen zu Abstandsgrenzen, Lärm und Co.

Bis zu einem gewissen „normalen“ Maß müssen Nachbarn beispielsweise Lärm und Gerüche vom Grundstück nebenan akzeptieren. Wann dieses normale Maß überschritten ist und es für Nachbarn unzumutbar wird, ist im Nachbarschaftsrecht und in der übergeordneten Landesbauordnung geregelt. Hier finden Streithähne Antworten zu bestimmten Themenbereichen:

  • Pflanzen, Hecken, Zäune – Abstandsgrenzen

Wer für den Bau und die Kosten eines Zaunes oder sonstiger Begrenzung zum Nachbargrundstück verantwortlich ist, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. In Brandenburg ist zum Beispiel der Nachbar links in der Pflicht, sich um begrenzende Zäune und Hecken zu kümmern. Dagegen ist in §32 des NachbG NRW geregelt, dass die Nachbarparteien gemeinsam zum Bau einer Einfriedung (Zäune, Mauern oder Hecken) verpflichtet sind, auch die Kosten müssen hier geteilt werden, sogar dann, wenn eine Partei dagegen ist. 

Wo die Einfriedung errichtet wird und welche Maße sie aufweisen darf, ist ebenso unterschiedlich wie die Kostenteilung und die Bauverpflichtung. In NRW ist sie zum Beispiel auf der Grundstücksgrenze zu errichten (§32 NachbG NRW). Im Allgemeinen gelten bei Abstandsgrenzen und Co. die jeweiligen Regelungen aus der Landesbauordnung. In jedem Fall sind aber die einzelnen Eigentümer und Eigentümerinnen dazu verpflichtet, die Hecken, Bäume und anderen Pflanzen so zu pflegen und zu schneiden, dass von ihnen weder eine Gefahr ausgeht, noch dass sie einen übermäßigen Schattenwurf auf den Grundstücksflächen des Nachbarn erzeugen. 

  • Lichteinfall und Schattenwurf

Die neue erbaute Garage auf dem Grundstück nebenan oder ein frisch gepflanzter Baum kann zu einem übermäßigen Schattenwurf auf dem Grundstück des Nachbarn führen, auch wenn Abstandsgrenzen und Sonstiges eingehalten wurden. Der beeinträchtigte Nachbar kann dagegen einen Abwehranspruch formulieren, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt werden: 1. Der Schattenwurf übersteigt das ortsübliche Ausmaß, zum Beispiel ein waldähnlicher Baumbestand mitten in einem Wohngebiet und 2. Die Fläche, die im Schatten liegt, kann nicht mehr im eigentlichen Maße genutzt werden, da sie beispielsweise vermoost oder versumpft. 

  • Lärm, Gerüche und sonstige Beeinträchtigungen  

Der Sommer naht und Grillgerüche im gesamten Wohngebiet sind kaum zu vermeiden, bei täglichen Grillaktionen kann der ein oder andere Nachbar dann auch mal wütend werden. Dass das Grillen auf dem Balkon in einem Mehrfamilienhaus teilweise verboten ist, ist kein Geheimnis. In einer Einfamilienhauswohngegend sieht das aber schon wieder anders aus. Auch hier müssen die einzelnen Landesgesetze zu rate gezogen werden und im Einzelfall entschieden werden, ob die Geruchsbelästigung langfristig unzumutbar ist. 

Das gleiche Verfahren gilt auch bei Lärmbelästigung. In der Regel gilt in Wohngebieten eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Teilweise finden vor allem Mieter und Mieterinnen auch die Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr vor. Zu dieser Zeit sind alle Ruhestörungen zu unterlassen. Bei „normalen“ Kinderlärm (zum Beispiel Spielen) oder Lärm durch Musik oder Ähnliches klärt die Rechtsprechung eindeutig – dieser ist ohne Beanstandung hinzunehmen. Geht er über das normale Maß hinaus, ist eine Einzelfallprüfung erforderlich. 

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Rechte für Nachbarn – Hammerschlag und Wegerecht

Teilweise ist es notwendig, dass Nachbarn bestimmte Ärgernisse dulden, das ist auch rechtlich vorgeschrieben. Vor allem wenn es darum geht, dass ein Grundstück ohne ein dazugehöriges Wegerecht auf dem Nachbargrundstück nicht nutzbar bzw. bebaubar wäre, da es beispielsweise in zweiter Reihe liegt. 

Auch mit dem Hammerschlags- und Leiterrecht müssen alle Nachbarn leben. Dieses besagt, dass auf dem Nachbargrundstück auch ohne die Erlaubnis des Eigentümers beziehungsweise der Eigentümerin Leitern und Gerüste aufgebaut werden dürfen, wenn dies für Reparaturen am eigenen Haus notwendig ist. Das muss aber mit dem jeweiligen Nachbarn abgesprochen und vereinbart werden. Darüber hinaus muss der andere Nachbar für die entstandenen Schäden haften. 

Was tun, wenn der Nachbarstreit nicht allein zu schlichten ist?

In den meisten Fällen ist im Nachbarschaftsrecht geregelt, dass bei Streitereien ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchgeführt wird. Dieses ist auch die Grundvoraussetzung dafür, dass geklagt werden darf. In diesem Sinne wird durch einen unabhängigen Schlichter eine außergerichtliche Lösung angestrebt, die in der Regel nur wenige hundert Euro kostet. Grund für die Regelung über das Schlichtungsverfahren der einzelnen Bundesländer ist, dass mit einem Gerichtsverfahren immer hohe Kosten und ein immenser Aufwand verbunden sind, weswegen die Notwendigkeit dieser Maßnahmen erst mal durch das Schlichtungsverfahren geprüft werden muss. Generell können dort auch positive Ergebnisse für beide Parteien erreicht und die persönlichen Bedürfnisse der anderen Partei offen und sachlich dargelegt werden. Ist der Versuch einer Schlichtung zwischen den Parteien jedoch gescheitert, kann eine Klage angestrebt werden. 

Gemeinsam mit den Nachbarn – worauf du achten solltest

Um dir schon von vorneherein Ärger mit den Nachbarn zu ersparen, solltest du dir die genauen Vorgaben aus den Landesbauordnungen und dem jeweiligen Nachbarschaftsrecht anschauen. Möchtest du im Zuge des Bauvorhabens einen Zaun errichten oder eine begrenzende Hecke pflanzen, dann besprich dich direkt mit deinem Nachbarn, was es für Möglichkeiten gibt, die beide Parteien zufriedenstellen. Teilweise sind Nachbarn auch voneinander abhängig, wenn es um Wege- oder Nutzungsrechte geht, deswegen solltest du dir es nicht direkt mit deinem Nachbarn verscherzen. In solchen Fällen ist es immer sinnvoll, diese Rechte direkt ins Grundbuch eintragen zu lassen.

Bei allen Streitigkeiten sollte zuallererst ein sachlicher Dialog mit dem entsprechenden Nachbarn stattfinden, bevor du weitere Konsequenzen einleitest. Ist eine Partei uneinsichtig, dann ist das Schiedsverfahren der beste Weg, um eine gemeinsame Lösung zu finden, die kein großes Loch ins eigene Budget reißt. 

Über den Autor
Julian Droste
Gründer
Julian ist während des Baus seiner egienen vier Wände auf viele Probleme gestoßen, vor denen er angehende Bauherrinnen und Bauherren mit dem Hausbaukurs schützen möchte.

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